Seit Beginn des Ukraine-Krieges haben Millionen von Menschen die Ukraine verlassen. Sie suchen Schutz in Europa und damit auch in der Schweiz. Die EU hat deshalb zum ersten Mal die Temporary Protection Directive (europa.eu) aktiviert, welche für Zeiten grosser Fluchtbewegungen konzipiert ist. Vor diesem Hintergrund hat der Bundesrat erstmals den in den 1990-er Jahren geschaffenen Schutzstatus S für Massenfluchtsituationen in Kraft gesetzt, der dem europäischen Status sehr ähnlich ist. Ziel ist, den Geflüchteten rasch Schutz zu gewähren, ohne aufwändige individuelle Asylverfahren durchzuführen und so eine Überlastung des Asylsystems zu verhindern.
In dem Rahmen stellt sich die Frage nach der sozialen und beruflichen Integration jener Personen, die den S-Status erhalten. Eine erfolgreiche Integration in den Arbeitsmarkt ist dabei von zentraler Bedeutung. Dieser Artikel adressiert einige wichtige Themen zum Schutzstatus S und beabsichtigt, einen gesamtheitlichen Überblick zu vermitteln. Die konkreten Ausführungen betreffen hingegen insbesondere den Kanton Basel-Landschaft.
A. Anwendung des Schutzstatus S und Anwesenheitsberechtigung
Gemäss Art. 4 des Asylgesetz vom 26. Juni 1998 (AsylG) kann Schutzbedürftigen «für die Dauer einer schweren allgemeinen Gefährdung» Schutz gewährt werden. Mit dem Schutzstatus S wird der Schutz einzig aufgrund der Zugehörigkeit zu einer bestimmten Gruppe gewährt (vgl. dazu nachfolgend C. «Begünstigte Personengruppen»). Der Bundesrat entscheidet, ob und nach welchen Kriterien einer Gruppe von Schutzbedürftigen vorübergehend Schutz gewährt werden soll (Art. 66 ff. AsylG). Der Status wird seit dem 12. März 2022 vergeben.
Die Schutzgewährung berechtigt eine Person zum vorläufigen Aufenthalt in der Schweiz. Der Schutzstatus S ist jedoch keine Aufenthaltsbewilligung im eigentlichen Sinn. Gemäss Art. 45 der Asylverordnung 1 über Verfahrensfragen (Asylverordnung 1, AsylV 1) erhalten die Betroffenen mit dem Schutzstatus S einen Ausweis S. Dieser Ausweis wird vom Kanton ausgestellt und ist auf ein Jahr befristet und wird verlängert, solange der vorübergehende Schutz nicht aufgehoben wird. Wenn der Bundesrat den vorübergehenden Schutz nach fünf Jahren noch nicht aufgehoben hat, erhalten schutzbedürftige Personen eine Aufenthaltsbewilligung B. Allerdings ist auch diese befristet bis zur Aufhebung des vorübergehenden Schutzes.
B. Verfahren und Schutzgewährung
Ein Gesuch zur Schutzgewährung kann sowohl an der Grenze sowie in einem Bundesasylzentrum (BAZ) gestellt werden. Nach der Gesuchstellung wird die Person im BAZ registriert. Dazu werden die Personalien erfasst, grundlegende Informationen bezüglich vorliegender Dokumente in einem Formular festgehalten und Fingerabdrücke abgenommen.
Das Staatssekretariat für Migration (SEM) untersucht in einem vereinfachten Verfahren, ob eine gesuchstellende Person zur Gruppe der schutzbedürftigen Personen gehört. Es wird eine Befragung im BAZ durchgeführt. Der zuständige Kanton stellt in der Folge einen Ausweis S aus. Gemäss Art. 69 Abs. 2 AsylG ist die Gewährung des vorübergehenden Schutzes nicht anfechtbar. Wenn das SEM zum Schluss kommt, keinen vorübergehenden Schutz zu gewähren, setzt es entweder das Verfahren über die Anerkennung als Flüchtling oder das Wegweisungsverfahren fort.
Das Gesuch kann auch online über das Web-Portal RegisterMe gestellt werden.
C. Begünstigte Personen
Der Schutzstatus S gilt für folgende Personenkategorien:
- Schutzsuchende ukrainische Staatsbürgerinnen und -bürger und ihre Familienangehörige (Partnerinnen und Partner, minderjährige Kinder und andere enge Verwandte, welche zum Zeitpunkt der Flucht ganz oder teilweise unterstützt wurden), welche vor dem 24. Februar 2022 in der Ukraine wohnhaft waren;
- Schutzsuchende Personen anderer Nationalität und Staatenlose sowie ihre Familienangehörige gemäss Definition in Buchstabe a, welche vor dem 24. Februar 2022 einen internationalen oder nationalen Schutzstatus in der Ukraine hatten;
- Schutzsuchende anderer Nationalität und Staatenlose sowie ihre Familienangehörige gemäss Definition in Buchstabe a, welche mit einer gültigen Kurzaufenthalts- oder Aufenthaltsbewilligung belegen können, dass sie über eine gültige Aufenthaltsberechtigung in der Ukraine verfügen und nicht in Sicherheit und dauerhaft in ihre Heimatländer zurückkehren können.
Zur Definition der schutzbedürftigen Personengruppen orientiert sich die Schweiz an den Vorgaben der Europäischen Union (EU).
D. Arbeit und Erwerbstätigkeit
Grundsätzlich dürfen schutzbedürftige Personen während der ersten drei Monate nach ihrer Ankunft in der Schweiz nicht arbeiten. Der Bundesrat hat aber von der in Art. 75 Abs. 2 AsylG geregelten Möglichkeit, günstigere Bestimmungen für die Erwerbstätigkeit von schutzbedürftigen Personen festzulegen, Gebrauch gemacht. So können Schutzbedürftige nach Art. 53 Abs. 1 der Verordnung über Zulassung, Aufenthalt und Erwerbstätigkeit (E-VZAE) ohne Wartefrist in der ganzen Schweiz einer Erwerbstätigkeit nachgehen. Auch die Bewilligung zur unselbständigen Erwerbstätigkeit kann ab dem Zeitpunkt der Gewährung des Schutzstatus S ohne Wartefrist erteilt werden. Das Bestätigungsschreiben ist dabei ausreichend. Es ist nicht notwendig, die Ausstellung des Ausweises S für Schutzsuchende abzuwarten.
Zudem wird Schutzbedürftigen nach Art. 53 Abs. 2 E-VZAE neu auch eine selbständige Erwerbstätigkeit bewilligt, wenn die Voraussetzungen von Art. 19 lit. b und c des Bundesgesetzes über die Ausländerinnen und Ausländer und über die Integration (Ausländer- und Integrationsgesetz, AIG) erfüllt sind. Diese Bewilligung kann ebenfalls ohne Wartefrist ab Gewährung des Schutzstatus S erteilt werden.
Die Zulassungsvoraussetzungen für Selbstständige mit Status S werden ebenfalls angepasst. Von einer Prüfung des gesamtwirtschaftlichen Interesses gemäss Art. 19 lit. a AIG wird beispielsweise abgesehen. Hingegen sind die notwendigen finanziellen und betrieblichen Voraussetzungen und eine ausreichende, eigenständige Existenzgrundlage durch die Kantone zu prüfen, um dazu beizutragen, dass Selbstständige eine unternehmerisch erfolgreiche Zukunft haben. Die Voraussetzungen für die Zulassung zur Erwerbstätigkeit richten sich nach dem AIG. Die Bewilligungserteilung erfolgt durch die Kantone und das Gesuch ist durch den Arbeitgeber zu stellen. Gemäss Art. 30 Abs. 1 AIG kann zudem von den üblichen Zulassungsvoraussetzungen nach Art. 18–29 AIG abgewichen werden. Gemäss Art. 53 Abs. 1 VZAE werden zum Schutz vor Missbrauch und Sozialdumping bei Schutzbedürftigen lediglich die Lohn- und Arbeitsbedingungen geprüft.
Für Personen, welche bereits über eine Arbeitsbewilligung verfügen, ändert sich nichts. Ihre Bewilligung bleibt bestehen und sie können ihrer Tätigkeit weiterhin nachgehen.
I. Unselbständige Erwerbstätigkeit von Personen mit Schutzstatus S
Die rechtliche Ausgestaltung des Schutzstatus S ermöglicht es Arbeitgebenden, rasch und unkompliziert eine Person mit Schutzstatus S zu beschäftigen. Dies sind die Schritte zum Stellen antritt:
- Um eine Person mit Status S zu beschäftigen, muss vor dem Arbeitsantritt vom Arbeitgebenden bei der Arbeitsmarkt- oder Migrationsbehörde im Kanton des Arbeitsortes eine Arbeitsbewilligung beantragt werden.
- Um den Bewilligungsantrag zu stellen, braucht es einen unterzeichneten Arbeitsvertrag, in dem orts- und branchenübliche Lohn- und Arbeitsbedingungen festgelegt wurden. Denn der Kanton prüft ob die geltenden Lohn- und Arbeitsbedingungen eingehalten werden.
- Jene Person, die angestellt werden soll, muss im Besitz des Ausweises S sein oder ein Bestätigungsschreiben über die positive Erteilung des Status S besitzen.
- Vor der Bewilligungserteilung prüft die kantonale Behörde, ob die geltenden Lohn- und Arbeitsbedingungen eingehalten werden. Es werden grundsätzlich keine Qualifikationsnachweise geprüft. Im Falle von in der Schweiz reglementierten Berufen, müssen vor der Bewilligungserteilung die erforderlichen Diplomanerkennungsnachweise vorliegen.
Im Kanton Basel-Landschaft ist das Gesuch beim Kantonalen Amt für Industrie, Gewerbe und Arbeit (KIGA) einzureichen. Dazu werden folgende Unterlagen benötigt:
- Formular S-UKR (Download)
- Arbeitsvertrag
- Bestätigung Schutzstatus S
- Nachweis über die Identität (Personalausweis, Identitätskarte)
II. Selbständige Erwerbstätigkeit von Personen mit Schutzstatus S
Auch selbständige Erwerbende mit dem Status S müssen vor Arbeitsantritt beim Kanton des Arbeitsortes eine Arbeitsbewilligung beantragen. Der Kanton prüft, ob die finanziellen und betrieblichen Voraussetzungen für die angestrebte Tätigkeit erfüllt sind.
Im Kanton Basel-Landschaft ist das Gesuch ebenfalls beim KIGA einzureichen. Dazu werden folgende Unterlagen benötigt
- Formular S-UKR (Download)
- Unterlagen der geplanten Tätigkeit
- Bestätigung Schutzstatus S
- Nachweis über die Identität (Personalausweis, Identitätskarte)
E. Einige Einzelfragen
I. Können Personen mit Schutzstatus S ausserhalb ihres Wohnkantons arbeiten?
Ja, dies ist möglich. Die Arbeitsbewilligung muss schlicht im Kanton des Arbeitsortes durch den Arbeitgeber beantragt werden.
II. Keine Anwendung des Inländervorrangs
Bei der Anstellung von Personen mit Status S besteht kein Inländervorrang gegenüber anderen Personen, die sich in der Schweiz auf Stellensuche befinden. Personen mit Status S können in der ganzen Schweiz arbeiten.
III. Werden ausländische (ukrainische) Diplome von der Schweiz anerkannt?
Ja, aber eine Diplomanerkennung ist nur für in der Schweiz reglementierte Berufe erforderlich. Wo ein Beruf reglementiert ist, muss die Situation im Detail und Einzelfall angeschaut werden. Weiterführende Informationen finden sie hier: Anerkennung ausländischer Diplome
IV. Was gilt für Personen aus der Ukraine, die bereits eine befristete Aufenthalts- und Arbeitsbewilligung in der Schweiz haben?
Bereits bestehende befristete Aufenthalts- und Arbeitsbewilligungen können verlängert werden gemäss den geltenden Bestimmungen des Ausländerrechts. Umwandlungen von Kurzaufenthaltsbewilligungen (L) zu Jahresaufenthaltsbewilligungen (B) werden gemäss den regulären Bedingungen vom Kanton des Arbeitsortes oder vom Wohnkanton geprüft. In Fällen, in denen keine Verlängerung oder Umwandlung möglich ist, können die Personen den Schutzstatus S beantragen.
V. Was gilt bei Homeoffice-Arbeit für einen ausländischen Arbeitgeber?
Personen, die für einen ausländischen Arbeitgebenden im Homeoffice arbeiten (z.B. für den bisherigen Arbeitgebenden im Heimatland) oder ihrer bisherigen selbständigen Tätigkeit ohne Bezug zur Schweiz nachgehen, brauchen dazu keine spezielle Arbeitsbewilligung.
VI. Sozialhilfe
Sofern sie ihren Lebensunterhalt nicht selbst bestreiten können, erhalten Personen mit dem Schutzstatus S Sozialhilfe von dem Kanton, dem sie zugewiesen worden sind. Die Sozialhilfe kann in Form von Sachleistungen (Unterkunft, Lebensmittel, Hygieneartikel, etc.) und/oder in Form von Geld erfolgen. Für die Ausgestaltung der Sozialhilfe ist der Kanton zuständig.
VII. RAV
Personen mit Status S, die sich auf Stellensuche befinden, haben die Möglichkeit, sich bei den Regionalen Arbeitsvermittlungszenten (RAV) zu registrieren, damit sie Unterstützung bei der Stellensuche erhalten. Arbeitgebende können über die RAV offene Stellen arbeitsuchenden Personen zugänglich machen.
Dazu sind folgende Dokumente mitzubringen:
- Nachweis über Ihre Identität (Personalausweis, Identitätskarte)
- Meldebestätigung, sofern Sie bereits offiziell im Kanton Basel-Landschaft angemeldet sind
- Bestätigung über den Schutzstatus S
VIII. Lehrverträge und Praktika
Sofern eine Person bereits über ausreichende Sprachkenntnisse verfügt (B1), kann auch ein Lehrvertrag abgeschlossen werden. Es ist zudem möglich, Personen mit Status S im Rahmen eines Praktikums zu beschäftigen. Als Praktikum gelten befristete Arbeitsverhältnisse mit klarem Ausbildungscharakter. Für Praktika muss eine orts- und branchenübliche, funktionsgerechte und der vorhandenen Ausbildung entsprechende Entlöhnung festgelegt werden.
F. Fazit
Sämtliche Personen mit Schutzstatus S können ohne Wartefrist einer Arbeit nachgehen (auch Selbständigkeit). Personen mit Schutzstatus S erhalten – sofern sie ihren Lebensunterhalt nicht selbständig bestreiten können – Sozialhilfe vom Kanton, dem sie zugewiesen worden sind.