Verbindliche Mindestlöhne legen fest, wie viel Arbeitnehmende mindestens verdienen müssen. Sie dürfen nicht unterschritten werden. In der Schweiz existiert kein landesweiter Mindestlohn. Einige Kantone, darunter Basel-Stadt, Jura, Neuenburg, Genf und Tessin, haben kantonale Mindestlöhne, die für alle Branchen gelten. Jedoch sind es in der Regel Gesamtarbeitsverträge (GAV; weiterführende Informationen erhalten Sie hierzu hier) oder Normalarbeitsverträgen (NAV), die für bestimmte Branchen und Unternehmen Mindestlöhne festlegen. Dieser Artikel widmet sich den relevanten Fragen zu diesem Thema.
Mindestlöhne in Gesamtarbeitsverträgen

A. GAV-Mindeslohn

Viele GAV setzen branchenweit oder für Betriebe Mindestlöhne fest. Betriebe, die dem GAV unterliegen, müssen sich an diese Mindestlöhne halten. Sie sind die niedrigsten Löhne, die in einer Branche oder einem bestimmten Unternehmen gezahlt werden dürfen. Mindestlöhne sollen sicherstellen, dass Arbeitnehmende eine angemessene Entlohnung für ihre Arbeit erhalten.

Was ist ein GAV? Weitere Informationen

B. Festlegung der Mindestlöhne

Die Festlegung von Mindestlöhnen in einem GAV basiert auf Verhandlungen zwischen den Sozialpartnern, also den Arbeitgeberverbänden und Gewerkschaften. Diese Verhandlungen können intensiv sein, da beide Seiten ihre Interessen vertreten. Faktoren wie Lebenshaltungskosten, regionale Unterschiede und wirtschaftliche Gegebenheiten spielen bei der Festlegung von Mindestlöhnen eine Rolle.

C. Einstufung der Arbeitnehmenden

In der Datenbank auf der Website www.gav-service.ch finden Sie eine Auflistung fast aller GAV in der Schweiz. In dieser kostenlosen Datenbank erhalten Sie Zugriff auf eine Vielzahl von Informationen, wie unter anderem die in den GAV festgelegten Mindestlöhne. Die Lohneinstufung der Arbeitnehmenden unterscheidet sich je nach GAV. Die branchenbezogene Ausbildung und die Anzahl Jahre Berufserfahrung der Arbeitnehmenden in der Branche spielen unter anderem eine Rolle.

Gerne möchten wir Ihnen die Lohneinstufung beispielhaft anhand des GAV für das Schreinergewerbe Deutschschweiz und Tessin erklären.

Quelle: GAV für das Schreinergewerbe, S. 33
Quelle: GAV für das Schreinergewerbe, S. 33

 

Die Mindestlöhne für Berufsarbeiter und Monteure bestimmen sich in erster Linie nach der Anzahl Erfahrungsjahre. Den Erfahrungsjahren angerechnet wird die Zeit, in welcher nach bestandener Lehrabschlussprüfung bzw. Gesellenprüfung auf dem erlernten Beruf gearbeitet worden ist. Mit Antritt der 1. Stelle nach Abschluss der Berufslehre befindet sich der Mitarbeiter somit im 1. Erfahrungsjahr. Unterbrüche wie Reisen, Arbeitslosigkeit, Militär und Tätigkeiten in anderen Branchen werden den Erfahrungsjahren nicht angerechnet.

Bei den Arbeitnehmerkategorien Sachbearbeiter Planung, Schreinerpraktiker EBA und Angelernte mit Weiterbildung, Hilfskräfte und Hilfsmonteure bleiben die Altersjahre für die Bestimmung des Mindestlohnes massgebend. Bei den Kategorien Berufsarbeiter, Fachmonteur und Monteur werden die Altersjahre zur Bestimmung des Mindestlohnes hingegen erst herangezogen, wenn die Erfahrungsjahre nicht bekannt sind oder nicht eruiert werden können.

Der Arbeitnehmende kommt am Tag nach seinem Geburtstag ins nächste Altersjahr. Beispiele:

  • Das 18. Altersjahr beginnt ein Tag nach dem 17. Geburtstag des Arbeitnehmenden
  • Das 19. Altersjahr beginnt ein Tag nach dem 18. Geburtstag des Arbeitnehmenden
  • Das 20. Altersjahr beginnt ein Tag nach dem 19. Geburtstag des Arbeitnehmenden
  • usw.

Beispiele:

1) Ein Arbeitnehmender hat am 10. April Geburtstag und wird 19 Jahre alt: Am 11. April kommt der Arbeitnehmende in sein 20. Altersjahr. Die entsprechende Lohnanpassung hat jedoch bereits auf den 1. April zu erfolgen.
2) Ab wann ist der Mindestlohn ab 24. Altersjahr geschuldet? Wenn der Arbeitnehmende am 10. April 23 Jahre alt wird, kommt er 11. April in sein 24. Altersjahr. Die Lohnanpassung hat jedoch bereits auf den 1. April zu erfolgen.

Weiter bestimmt der GAV, was unter den jeweiligen Arbeitnehmerkategorien zu verstehen ist:

  • Berufsarbeiter: Als solche gelten alle dem GAV unterstellten Arbeitnehmenden mit abgeschlossener Berufslehre, die den erlernten Beruf ausüben. Bei Lehrabschluss nach vollendetem 24. Altersjahr wird der Anfangslohn in Absprache mit der Zentralen Paritätischen Berufskommission festgelegt.
  • Fachmonteur: Berufsarbeiter, die ständig auf dem Bau sind und über das Diplom „Monteur/in VSSM“ oder „Monteur/in Fensterbau FFF-VSSM“ verfügen.
  • Monteur: Ein Monteur ist jemand, der mindestens 80% auf der Baustelle tätig ist. Unter Montage ist jegliche Tätigkeit ausserhalb der Werkstatt zu verstehen, für die Werkzeug verwendet wird.
  • Schreinerpraktiker, Angelernte mit Weiterbildung: Als solche gelten alle, die einen EBA Abschluss oder Weiterbildung absolviert haben. Sämtliche Anlehren und ähnliche Ausbildungen die zwischen 1 und 2 Jahre andauern, werden dem Schreinerpraktiker EBA gleichgesetzt. Ausbildungen die länger als 2 Jahre andauern, werden als Berufslehre qualifiziert. Somit handelt es sich in diesem Fall um einen Berufsarbeiter bzw. Monteur.
  • Sachbearbeiter Planung und mittleres Kader: Sachbearbeiter Planung sind Mitarbeiter, die mehr als 50% ihrer Arbeitszeit in der Arbeitsvorbereitung tätig sind. Es ist keine entsprechende Ausbildung notwendig.
  • Hilfsmonteur: An- und ungelernte Arbeitnehmende, die ständig auf dem Bau tätig sind und auch Montagearbeiten verrichten. Unter Hilfsmontage ist jegliche Tätigkeit zu verstehen, die Montagetätigkeiten unterstützt; dabei muss nicht zwingend ein Werkzeug verwendet werden.
  • Hilfskräfte: Hilfskräfte sind Arbeitnehmende für Hilfsdienstfunktionen ohne besondere Berufskenntnisse.

D. Kontroverse und Herausforderungen

Die Festlegung von Mindestlöhnen ist oft Gegenstand von Diskussionen und Debatten. Einige betrachten sie als notwendiges Instrument zur Gewährleistung fairer Arbeitsbedingungen, während andere Bedenken bezüglich ihrer Auswirkungen auf die Wirtschaftsleistung und Wettbewerbsfähigkeit der Unternehmen äussern. Die Festlegung von Mindestlöhnen ist eine komplexe Aufgabe. Ein zu niedriger Mindestlohn könnte die Lebensqualität der Arbeitnehmer beeinträchtigen, während ein zu hoher Mindestlohn die Wettbewerbsfähigkeit der Unternehmen gefährden könnte.

Zudem müssen Mindestlöhne in regelmässigen Abständen überprüft und angepasst werden, um wirtschaftlichen Veränderungen und Inflation gerecht zu werden.

E. Exkurs: Bestimmungen in NAV

Ein Normalarbeitsvertrag (NAV) ist ein behördlicher Erlass mit arbeitsvertraglichen Bestimmungen, die zwingenden oder empfehlenden Charakter haben können. Die Behörde kann in Branchen ohne GAV einen NAV mit zwingenden Mindestlöhnen erlassen, falls wiederholt die orts-, berufs- oder branchenüblichen Löhne missbräuchliche unterboten werden.

Die Mindestlöhne können nur zugunsten der Arbeitnehmenden abgeändert werden und finden in der ganzen Branche Anwendung.

Der NAV in der Hauswirtschaft ist ein Beispiel für einen NAV mit zwingenden Mindestlöhnen.

Was ist ein NAV? Weitere Informationen

F. Fazit

Mindestlöhne in Gesamtarbeitsverträgen sind ein wichtiger Bestandteil des Arbeitsrechts und haben weitreichende Auswirkungen auf Arbeitgeber, Arbeitnehmer und die Gesellschaft als Ganzes. Ihre Festlegung erfordert eine sorgfältige Abwägung der Interessen aller Beteiligten, um faire Arbeitsbedingungen und soziale Gerechtigkeit zu gewährleisten.

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